Eigentlich hätte ich den Text gerne angefangen mit „Damals, als ich Zeitungsjunge war …“ Geschmückt von einem Bild von mir, auf dem Rad, Zeitungsrollen in die Vorgärten werfend. Aber so ist es „leider“ nicht.
Also fange ich an mit …
Ihr sitzt sicher grad am Frühstückstisch, eine Tasse Kaffee vor euch und die Sonntagszeitung in der Hand. Moment. Sonntagszeitung? Hey, wie ist die denn zwischen Ich-komm-spät-abends-nach-Hause und Ich-steh-auf-und-geh-mal-zum-Briefkasten zu euch gekommen? Das war (möglicherweise) ich. Vor zwei Wochen habe ich ja versprochen, euch mal mit auf die Runde zu nehmen. Das läuft dann ungefähr so:
Etwa 22:00 wird der Zeitungsstapel bei uns vor der Türe abgeschmissen. Da die Hummel noch im Kino ist, muss ich aber noch ein bisschen warten. Normalerweise nehm ich den Stapel dann einfach auf die Schulter (in einer praktischen blauen Tüte eines schwedischen Möbelhauses) und dreh meine Runde. Heute muss ich, wegen einer Beilage und des damit verbundenen Gesamtgewichtes, allerdings ein bisschen umdisponieren und habe kurzfristig unseren Fahrradanhänger zweckentfremdet. Um diese Uhrzeit brauchen die Zwillies den ja normalerweise auch nicht.
Die Tour startet also gegen 23:30. 20 Minuten später sind die ersten 100 Zeitungen weg, weil auf dem Weg 2 große Einrichtungen liegen, in denen man viele Zeitungen versenken kann. Ist ja auch alles eine Frage der Technik. Optimal läuft es, wenn man mit einer Hand die Zeitung faltet, aus der Bewegung heraus mit der Zeitung in der Hand die Klappe des Briefkastens öffnet und sie einfach hineingeht. Normal läuft es so, das sich a) die Zeitung schlecht faltet, b) die Klappe nicht ordentlich aufgeht, c) die Zeitung verkantet und sich eben nicht einfach reinschieben lässt oder auch gerne mal d) der Wettbewerber vor einem da war und seine (deutlich dickere) Zeitung entsprechend ungünstig platziert hat.
Weitere 30 Minuten später sind die nächsten 100 weg. Jetzt kommt der unangenehme Teil. Es gibt nämlich nichts dämlicheres als Stichstraßen. Ok, volle Briefkästen. Aber Stichstraßen sind schon ziemlich nervig.
Schließlich rennt man sie ja unnötigerweise zwei Mal lang. Und das lässt sich auch durch die beste Wegeoptimierung nicht vermeiden. Immerhin habe ich es ansonsten geschafft, von anfangs 11,4 auf 9,8 Kilometer Gesamtstrecke zu optimieren. Allerdings nicht mit dem Wagen, der verhindert leider die eine oder andere Abkürzung. Naja, das Stichstraßenwohnareal beherbergt immerhin den größten Kasten der ganzen Runde 😀
Und auch die nettesten Aufmerksamkeiten, über die man sich mitten in der Nacht beim Zeitungsaustragen schon mal freut (selbst wenn die Kerze nicht echt ist).
Aber es frisst echt Zeit, erst 1:00 Uhr sind die 300 geschafft. Dafür gab es kurz vor Ende aber auch noch den kleinsten Kasten (wenn da erst mal die Zeitung drin ist, ist voll).
Nicht ganz so nervig wie Stichstraßen ist im übrigen das gute deutsche Spießbürgertum. Briefkästen in 4 Meter Entfernung voneinander lassen sich dann leider nur erreichen, indem man ca. 20 Meter Laufstrecke zurücklegt, weil man nicht über Drähte stolpern oder Hecken springen möchte.
Ein Paradebeispiel ist das (sogar schon mal verschlossene) Gittertor in der kleinen Heckenbegrenzung. Fehlt eigentlich nur noch ein Aufkleber am Briefkasten „Bitte keine Werbung“. Am besten selbst in Rot ausgedruckt und dann der Witterung überlassen. Sodass man es erst erkennt, wenn man mal bei hellichtem Tag dort vorbeikommt und zufällig einen Blick darauf wirft.
Ansonsten gibt das Laufen aber immerhin die Chance, sich über Gott und die Welt gerne mal den Kopf zu zerbrechen. So ist der Großteil dieses Textes irgendwo zwischen 300 und 350 Zeitungen aus meinem Kopf gehüppt. Aber zurück auf die Straße.
1:16. Es gibt doch noch etwas dämlicheres als Stichstraßen. Unbeleuchtete Stichstraßen.
Ja, auf diesem Bild sieht man eine Straße mit ca. 10 Briefkästen. Nicht.
1:40 .. die 400er Marke ist geknackt. Jetzt kommen gleich noch mal ein paar Anlagen mit vielen Briefkästen. 2:07 – 500. Normalerweise wäre ich jetzt ungefähr fertig, aber der Wagen hat mich heute ein bisschen ausgebremst. Also noch die letzten 100 unter die Leute bringen. Wenigstens scheint der Mond. Aber die letzten 100 sind auch noch mal auf viele, viele kleine Stichwege verteilt. Endspurt. Nach 3:02:24, ca. 12000 Schritten und mit 3,4 km/h ist es dann geschafft. Ich bin wieder zu Hause. Jetzt noch schnell für euch die Zusammenfassung geschrieben und ab ins Bett.
Gute Nacht.
Wir lesen uns heute abend beim Wochenrückblick. Lasst euch den Kaffee schmecken 🙂
1 Kommentar zu “Zeitungsjunge …”